Große Kugeln

Ich frage mich seit geraumer Zeit, warum immer alles so gigantisch sein muss.
So ärgere ich mich jedes Mal aufs Neue wenn ich mir ein Eis kaufe, dass man mir beim Italiener, der vielleicht gar keiner mehr ist, so dicke Dinger in die Tüte hauen.
Früher gab´s für `ne Mark fünf Bällchen Eis.
Da konnte man MISCHEN! Kinder, das waren noch Zeiten. Ich hab schon kapiert, dass ich den beknackten Euro (nein, ich wähle weder AfD noch NPD), nicht ignorieren kann und die Zeit der D-Mark nun lange vorbei ist. Dennoch beschleicht mich das Gefühl, dass mit dieser Währungsreform auch andere Einheiten Einzug gehalten haben. Wird man bei größeren Packungen mit aber weniger Inhalt hinterrücks betuppt, so schwollen andere Dinge auf das Doppelte an, um vorzugaukeln, dass durch die europäische (Nicht-) Einheitswährung ja auch das Volumen irgendwelcher Produkte zugenommen hat und man mal richtig was in der Tüte/Schachtel/auf dem Teller hat. Geht man ins Kino und möchte sich einfach mal ein Getränk zum Film kucken kaufen, betritt man mit mindestens vier Euro weniger im Portemonnaie und mindestens einem halben Liter Cola den Vorführraum. Kürzlich sollte den Film Popcorn und ein Drink begleiten. Ich bestellte die kleinste Einheit des gepufften Mais`, nachdem meine Vorkäufer, ein Vater, zwei Jungs, teutonisch-gigantischen Ausmaßes mit mindestens acht Kilo Übergewicht (jeweils, nicht insgesamt) in epischer Breite ohne Untertitel Literbecher Cola sowie Familienpackungen Popcorn und ekelhaft stinkende Nachos für teuer Geld gekauft hatten. Noch im leichten Schock darüber, dass Menschen es nicht schaffen , 90 Minuten ohne Nahrungsaufnahme im Großumfang zu überleben, verlangte ich also die jeweils kleinsten Portionen an Flüssigem und Süßem. „Und DAS ist die KLEINSTE Größe???“ fragte ich den jungen Mann (Ferienjob, acht Euro fünfzig die Stunde) hinter der Theke ungläubig. „Ja!“ behauptete er freundlich-frech und machte Anstalten, die Maßkrüge bzw. die Tüte und den Pappbecher Modell Gulliver, zu befüllen. Bis ihm einfiel, dass es ja auch noch so eine Art cinema-eskes Juniortütenspecialoffer gibt. Aha! Warum denn nicht gleich so? Ich hätte ansonsten sehr viel Kohle für sehr viel Junk den ich in den Mengen gar nicht wünschte, ausgegeben. Wir haben uns das Ganze zu dritt geteilt und, man staune, nicht Hunger oder Durst gelitten!
Aber so ist es nun doch fast überall Brauch: Riesige Getränkebecher, Megaschnitzel, Doppelmoppelfamilienpackungen und so weiter, begleiten unser Leben. Und neben der Bäckerei Stinges „Fünf Hefeteilchen heute im Angebot für vier Euro“ (will man nur drei, zahlt man 2,50 pro Stück, also fünf kaufen und zwei wegwerfen oder dick werden), also, neben der Industriebäckerei befindet sich eine Weight Watchers Dependance. Kein Witz! Noch Fragen?
Doch zurück zum Eisessen. Auf einem weiteren Trip in meine Kindheit streife ich kurz das Paradies, denn es gab nicht nur KLEINE Kugeln- die wir, wie gesagt, Bällchen nannten und die ihren Namen zu Recht trugen- sodass es einem möglich war, neben den zwei Lieblingssorten Zitrone-Nuss auch mal ein bisschen Pistazie (den Älteren unter uns noch als "Waldmeister“ bekannt), Heidelbeere oder, Caramba! Malaga oder das unaussprechliche Stracciatella zu ordern. Vielleicht sogar mit Sahne! Die kostete damals auch noch kein Vermögen. Sondern das Allerbeste war ein Eiscafé in der Nähe meiner Großeltern: die kinderlieben Besitzer waren sich nicht zu schade, zu fein, oder zu freundlich dazu, für uns Blagen, die wir mit zusammengeschrappten Groschen und Pfennigen unseren Einkauf tätigten, ein einziges Bällchen so zu gestalten, dass es eine Mischung ergab: einfach, indem man mit dem Portionierer vorsichtig und liebevoll durch zwei oder drei verschiedene Sorten löffelte und das so entstandene Mix-Kügelchen dann auf ein Babyhörnchen platzierte. Ist das nicht was Feines? Heute kriege ich ein designtes Eis aus irgendeiner zentralen Eismaschine und werde gezwungen, eine Kugel in Fast- Tennisballgröße zu kaufen. Da habe ich schon gar keinen Bock mehr auf zwei Sorten, denn die bekomme ich kaum aufgegessen. Und eine Meatloaf-große Einzel-Eisportion macht keinen Spaß. Was soll der Scheiß? Wenn jemand auf große Kugeln steht, soll er sie bestellen und in sich reinschleckenlutschen, bis er Hirnfrost erleidet. Aber alle anderen würden sich RIESIG über kleine Rundlinge freuen. Minibrötchen (für großes Geld allerdings) gibt es doch schließlich auch. Das Neueste an einem von uns frequentierten Eissalon ist wohl, dass man draußen zwar keine Kännchenausschließlichkeit aber den Zwang zu mindestens ZWEI Kugeln Eis hat. Egal, ob man auch noch Kaffee dazu bestellt oder Ähnliches. Ich selbst habe es bisher noch nicht erlebt. Diese Bestelldiktatur der dicken Duo-Kugeln wäre für mich aber ein guter Grund, sofort zu gehen. Oder stattdessen lieber ein Hörnchen auf die Hand zu nehmen. Im Lieblings-Pizza-Pasta Lokal darf man übrigens auch nur viel Appetit haben. Ich bekomme als Erwachsene keine kleine Pizza (die immer noch sehr satt macht). Auch nicht zum Preis einer großen. Hä? Okay, dann lieber wieder, wie die großen Duo -Schnitzel im Borchardt, die Speise über den Tellerrand lappen lassen und Menschen wie mich mit der Menge überfordern und dann nimmt man ein Doggy-Bag mit nach Hause und wirft es dann unter Umständen dort weg. Das ergibt doch keinen Sinn! Außerdem möchte ich selber entscheiden, wie viel ich essen will. Und kann. Da sind einem doch auch natürliche Grenzen gesetzt.
Die Giga-Jungs aus dem Kino haben nach der Werbung übrigens noch jeder ein Magnum verspeist.
In XXL-Supersize.
Gibt´s eigentlich noch Mini-Milk?
Ahoi!